Add-ons in der Reproduktiosmedizin
Reproduktionsmedizinische Massnahmen sind zeitaufwändig, psychisch herausfordernd und teuer.
Häufig werden bei der Therapieplanung Zusatzmassnahmen angeboten, die die Schwangerschaftsrate erhöhen, oder die Abortrate senken sollen. Die Wirksamkeit dieser Add-ons sind oft wissenschaftlich ungenügend erforscht und oft nicht oder nur fraglich wirksam. Der Patientin werden sie aber dennoch angeboten und als Selbstzahlerleistung in Rechnung gestellt.
In einer der vielen interessanten Vorträge diskutierte Prof. Kersti Lundin (Reproduktionsmedizin an der Universität Göteborg) über die Verwendung dieser Zusatzmaßnahmen, die allen Patienten begegnen, wenn sie sich in Behandlung ihres unerfüllten Kinderwunsches begeben.
Nach einer Sendung der BBC-Panorama 2016 „Hype or Hope“, die den weitverbreiteten Gebrauch solcher unbewiesenen und teuren Zusatzmassnahmen offenbarte, machten sich verschiedene Fachgesellschaften daran, graduelle Empfehlungen für diese zu entwickeln. Eine Liste von Add-ons neben einer plakativen Ampel sollte Patienten dazu dienen, selbst besser einschätzen zu können, für welche Add-ons sie sich vielleicht entscheiden könnten und für welche nicht.
Green – A green rated add-on has more than one high quality RCT which shows that the procedure is effective at improving the chances of having a baby for most fertility patients. These treatment add-ons may be routinely used in fertility treatments and information on these can be found elsewhere on our website, for example the use of intracytoplasmic sperm injection (ICSI) if the cause of infertility is sperm related. Therefore, green rated add-ons will not be included in this review list.
Amber – We give an amber symbol for an add-on where there is conflicting evidence from RCTs to show that an add-on is effective at improving the chances of having a baby for most fertility patients. This means that the evidence is not conclusive and further research is required, and the add-on should not be recommended for routine use.
Red – We give a red symbol for an add-on where there is no evidence from RCTs to show that it is effective at improving the chances of having a baby for most fertility patients.
Beispiele wohl unwirksamer Add-ons:
Time-lapse Inkubatoren: Die Dauerbeobachtung der Embryonen soll eine Verbesserung der Therapieaussichten bewirken. Tatsache ist aber, dass es bis heute keinen wissenschaftlichen Beleg für eine Verbesserung der Schwangerschaftsrate gibt. Diese Inkubatorten sind praktisch und könnten eine bessere Embryonenauswahl erlauben. Deren hoher Preis erfordert aber die Umlage auf die Behandlungskosten.
Genetisches Testen der Embryonen (PGT-A) / Aneuploidiescreening:Beobachtungsstudien der Kinder nach PGT-AS haben keine negativen Folgen für die Kinder ergeben.
Gegebene Empfehlung: Basierend auf dem aktuellen Kenntnisstand findet man keine Verbesserung der Lebendgeburtenrate oder der Verringerung der Abortrate. Daher wird derzeit die Routineanwendung nicht empfohlen. Weitere Forschungsarbeit ist von Nöten.
Immunologische Therapien: Obwohl es vollkommen klar ist, dass wichtige immunologische Abläufe im Zusammenhang mit der Implantation stattfinden, gibt es derzeit noch keinerlei verlässliche Studiendaten, die die immunologische Therapie als wirksam zeigen. Solche Therapien sollten höchstens zu Studienzwecken (unentgeltlich) angeboten werden.
Aspirin, ASS: keine Verbesserung der Schwangerschaftsrate
Heparin: Obwohl Heparin, ggf. in Kombination mit ASS, bei gewissen Blutgerinnungsstörungen einen positiven Effekt zu haben scheint, ist eindeutig, dass Heparin OHNE eine Gerinnungsstörung keinen Vorteil bringt.
PICSI/ IMSI: Ob die Auswahl von Spermien vor ICSI durch hochauflösendes Mikroskopieren einen Vorteil bringt, ist sie noch wissenschaftlich fragwürdig.
Scratching: Inwiefern die gezielte Verletzung der Gebärmutterschleimhaut Vorteile bringt, ist extrem umstritten und sollte eher auf Anwendung in Studien begrenzt werden.
Assisted Hatching: Auch hier sind die Studienergebnisse sehr widersprüchlich. Eine breite Anwendung sollte nicht stattfinden.
Als Resumeé verblieben lediglich 2 Add-ons, welche als wirksam oder – unter bestimmten Voraussetzungen – möglicherweise wirksam eingeschätzt werden.
- Hyaluronsäure: Der Zusatz von Hyaluronsäure (Embryo Glue) zum Kulturmedium ca. 10 Minuten vor dem Embryotransfer scheint die Lebendgeburtenrate zu erhöhen. Da in Studien aber die Mehrlingsrate deutlich erhöht war, wird die Anwendung ausschließlich für den SET (Single Embryo Transfer) empfohlen.
- Die Verwendung von DHEA scheint in manchen Personengruppen zu einer leichten Verbesserung der ovariellen Leistung zu führen. Weitere Studien laufen.
Gegenwärtig arbeitet die ESHRE (European Society for Human Reproduction) an einer aktualisierten Stellungnahme, die noch Ende 2022 veröffentlicht werden könnte.
Dr. Peet, Barcelona, 22.10.2022